Update aus Usbekistan

Wir melden uns zurück nach einem zweiten (härteren) Wüstentrip. Heute sind wir in der ehemaligen Sklavenvertriebsstadt Khiva.

In Beyneu haben wir uns gegen 5:30 wieder auf den Weg gemacht. Gute 80 km bis zur usbekischen Grenze.. wir wussten dass die Straße schlecht sein sollte, aber unsere Vorstellung hatte die Realität bei weitem überboten.. So rumpeln wir mit 7-9 km/h dahin. Wind oder nicht, das ist dann auch egal.. Neben der staubigen Schlaglochpiste ensteht eine neue Straße, abschnittsweise schon fertig, dann feste Sandpiste, oder noch schlimmer als die alte Straße.. wir wechseln hin und wieder auf die neue Straße, für einige Kilometer ist es ok, dann müssen wir die Räder durch tiefen lockeren Staubsand wieder zur Schlaglochpiste wuchten.. Übel. Die Kilometer tröpfeln laaangsaaam auf den Tacho.. Wir versuchen LKWs anzuhalten (das klappt), aber niemand möchte uns mitnehmen.. So “fahren” wir denn selber. Gegen 15 Uhr (6h Fahrt, ca. 60 km) haben wir eine kleine Ortschaft erreicht. Ich habe einen Platten, Max repariert und dann setzen wir uns vor den nächsten Laden in den Schatten, belohnen uns mit Pferde-Salami und Muffins.. Dann soll es weiter gehen, noch 25 km bis zur Grenze.. Kaum sind wir wieder auf der Hauptstraße, hält ein LKW mit offener Laderrampe an, und fragt ob er uns mitnehmen soll – er kann wohl Gedanken lesen 😉 Schnell alles raufgewuchtet und ab ins Führerhäuschen. Die Fahrt wird jetzt noch hubbeliger, dafür bei guten 20 km/h und ohne eigenes Schwitzen 🙂 Er fährt uns direkt bis vor die Grenze, er selber verschwindet mit seinem LKW hinter Stacheldrahtzaun..Er wollte auch kein Geld von uns nehmen, war für uns ja sowieso unbezahlbar 😛

An der kasachischen Grenze gibt es dann VIP-Behandlung. Irgendwie fallen wir als “Touristi” auf ^^ und werden mit Priorität rausgeschleust, vorbei an einer Schlange wartender Männer.. Hm. Keiner guckt in unsere Taschen und schon gehts an die usbekische Einreise..wir haben extra unsere Medikamente aufgelistet, sind auf eine große Taschen- und Geldinspektion vorbereitet… Aber nüscht! Stempel aufs Visum, schieb dein Rad hier durch den Zoll und fertig?! Ich hake extra nochmal wegen der Medikamente nach, man hört ja viele Geschichten.. aber nein! “do you have psychotropic drugs?No? OK!”.. Naja ich warte mal bis zur Ausreise.. Hinter der Grenze gibt es ein Hotel/Café, eine Riesenhalle mit flackernden Leuchtröhren und Technomusik.. Wir tauschen Dollar in Sum (1$ – 7600 Sum), mampfen fettige Nudeln und trinken Pepsi, fahren dann noch ein paar Kilomterchen, um in der altbekannten Steppe unser Zelt aufzuschlagen.. Da kommt aber ein Junge rufend auf uns zu.. hier gibt es Schlangen und Skorpione (jaa?) und Wölfe (ok, das glauben wir nicht :D), wir sollen zur Cayhana (Teehaus) kommen. Nagut, wenn wir da das Zelt aufschlagen können.. Gerade, als wir an der Cayhana ankommen klingelt das Handy eines der Männer “1,2 Polizei” 😀 da gibt es gleich was zu lachen 🙂 Wir trinken noch einen Tee und machen ein paar Fotos, dann fallen wir platt ins Zelt.

Die Ankunft in Usbekistan war schön, und gerade die Cayhana und der nette LKW-Fahrer haben die Strapazen wett gemacht und wir sind doch ganz zufrieden, dass wir nicht Zug gefahren sind (das sah während der Fahrt freilich anders aus ^^). Am nächsten morgen geht es wieder früh ans Werk. Abfahrt um 6:00. Die ersten 20 km ist die Straße gut. Wir frühstücken im Schatten einer Polizeistation und danach ist die Straße wieder mies (mit kurzen Unterbrechungen) wir wissen aber, dass nach weiteren 40 km die Straße wieder besser werden soll, und so rumpeln wir zäh vorran. Die Straße ist immernoch besser als die Piste von gestern. In den nächsten 160 km kommt nichts, gar nichts. Steppe, Sonne, Straße, und die geht wirklich NUR geradeaus. Jeder Meter des Straßenrands ist mit Plastikflaschen oder -Kanistern übersät.. Keine Kurve, keine Biegung, keine Abwechslung, kein Schatten. Am Horizont verschmilzt in der flirrenden Hitze der Himmel mit der Straße. Wir sind mit 23 L Wasser gestartet, aber im Laufe des Tages merken wir, dass es nicht für den gesamten zweiten Tag reichen wird..Die Mittagspause ist dann auch psychlogisch anstrengend. Man will sich doch nur mal kurz ausruhen, der Sonne entgehen.. Wir versuchen das Tarp zwischen den Rädern aufzuspannen, aber nein. Es herrscht ja wieder ein kräftiger Gegenseitenwind, der so stark ist, das unsere Plane einfach das eine Rad umreißt.. schlecht gelaunt kocht Max (essen^^) und ich verstecke mich ebenfalls schlecht gelaunt unter meinem Handtuch. Dann fahren wir auch schon weiter. Das ist angenehmer als Rumsitzen.. Wieder fahren wir an die 8h Fahrrad (das haben wir vorher nie gemacht) um auf die gewünschten 80 km Distanz zu kommen. Das gute an der Landschaft: Wir sagen einfach “um Punkt 19 Uhr gehen wir von der Straße runter und bauen das Zelt auf” und das ist kein Problem, da ja nirgendwo irgendwas ist (außer kleinen Sandpfeifer-Erdmännchen).

Dann wieder weiter, wieder gegen 6:30 los. Am Morgen ist es noch windstill, die Straße recht gut, wir kommen gut vorran. Frühstück an einer Kanalunterführung. Weiter. Richtung Mittag wird das  Wasser knapp und so stellen wir uns auf die Straße und wedeln mit den leeren Flaschen. LKW-Fahrer geben uns direkt Wasser. Heute ist die Steppe sogar grün und hin und wieder finden sich etwas größere Büsche -Wow 😉 So können wir die Mittagspause im Halbschatten verbringen.. Gegen 15 Uhr erreichen wir das angestrebte Jasliq (Zitat wikipedia: Urban-type settlement, 4000 EW). Hier kaufen wir uns erstmal jeder 1.5 L Limo, bzw. Cola und trinken das Zeugs so weg.. dann dackeln wir zum Bahnhof.. vielleicht können wir doch einen Zug nehmen? Es ist Sonntag, alles geschlossen, dafür ruft uns eine Frau aus einem Fenster zu. Wir folgen ihr in ihren Innenhof und führen eine verwirrende Konversation über die Zugabfahrtszeiten 😀 Ihre Kinder kommen noch vorbei und dann machen wir uns auf in ein Hotel, an der Hauptstraße gelegen. Die Frau (Muhabat) bedeutet uns, dass sie uns gerne bei sich zu Hause beherbergt hätte,  das dies aber zu Problemen mit der Polizei führen könnte.. Wir müssen uns sowieso dringend registrieren (Hotels machen das) und fahren die letzen 6 km bis zum Hotel. Hier fragen wir nochmal nach Zügen Richtung Nukus oder Kungrad, aber die Frau sagt uns, dass morgen gleich ein Bus direkt vor dem Hotel losfährt, nach Kungrad. Cool 🙂 Kurz sprechen wir noch mit dem Busfahrer, der vor dem Hotel grimmig auf einem Metallteil (vom Bus?) rumklöppelt. Velosipied? Kein Problem!

Die Räder werden einfach in den Gang des Busses gestellt, ein Ding der Unmöglichkeit in Deutschland nehme ich mal an ^^ Hüpfend und rumpelnd legen wir die 180 km nach Kungrad zurück, gut dass wir kaum was gefrühstückt haben.. In Kungrad besorgen wir uns usbekische SIM-Karten und flanieren über den Marktplatz (eine riesige Ansammlung von Ständen, es gibt alles zu kaufen, Plastikkram, Klopapier, Wasser, Obst, Gemüse..). Achso und Geld abheben wollte ich auch “mal eben” – Pustekuchen. Es gibt keinen Geldautomaten, sondern man muss am Schalter “anstehen”, d.h. sich möglichst dicht (unangenehm) an den Vordermann drängen. Direkt vor dem Schalterfenster stehen auch mindestens 3 Leute, Privatsphäre gibt es nicht. Auch bei meinem Bankgeschäft gibt es mehrere Beteiligte aus dem Publikum^^. Ich muss Dollar abheben und kann diese dann in am nächsten Schalter in Sum umtauschen. Manche Leute gehen mit riesigen Geldstapeln aus der Bank, es sieht schon witzig aus ^^

In einer Cayhana essen wir Plov und Manti und fahren dann gegen 14 Uhr weiter Richtung Nukus. Und dann der Hammer: Rückenwind??? Nee, da muss doch ein Fehler in der Matrix vorliegen 😀 Mann was sind wir schnell 🙂 Und: es gibt Schatten, grüne Felder am Wegesrand und viele Möglichkeiten sich nochmal eine Limo o.ä. zu kaufen.. Fabelhaft 🙂 Am Abend fahren wir in einen Feldweg und fragen einfach an den nächsten Hütten nach, ob wir dort unser Zelt aufschlagen dürfen. Die Leute sind sehr zurückhaltend. Nicken und es scheint in Ordnung zu sein. Aber es gibt keine weitere Kommunikation.. Die Nacht ist etwas unruhig, da der dazugehörige Hund hin und wieder ausrastet und der eine oder andere Güterzug durchs Zelt fährt.

Am nächsten Tag sind es nur noch knappe 40 km bis nach Nukus – ab ins Hotelzimmer 🙂 Schlummern, Route planen, Einkaufen, Essen, Wäsche waschen (lassen) Schlafen. In den nächsten 2 Tagen wollen wir dann nach Khiva fahren (170 km).

Die Strecke nach Khiva ist zur Hälfte Steppe (hier gibt es aber eine schöne neue fertige unbefahrene Straße neben der eher rumpeligen Hauptstraße, Traunhaft 🙂 ), zur anderen Hälfte grünes Flussgebiet mit vielen Maisfeldern. Am ersten Tag fahren wir 100 km (sind noch im zähen Wüstenmodus^^). Pause an einer Cayhana, es gibt Spiegelei, fette Suppe, Tee und Brot. Hier treffen wir 3 Briten, die an der Mongol-ralley teilnehmen. Abends finden wir einen schönen Zeltplatz an einem Fluss.

Weiter gehts, nun noch 70 km bis Khiva. Die Straße ist meistens OK, es geht oft durchs Stadtgebiet und vom Straßenrand oder von den Feldern schallt uns sehr häufig ein “Hello” entgegen  🙂 Zur Mittagspause legen wir uns in einen Strohhaufen, haben gerade unsere Nudeln fertig gegessen, wollen kurz ein bisschen schlafen, da kommt ein Usbeke daher und “nötigt” uns ihm in seinen Garten zu seiner Family zu folgen. Hier sitzen wir nun, es gibt Melone, Tee und Brot und ein paar rudimentäre Gespräche. Die Kinder probieren unsere Fahrradhelme aus und sind ganz traurig, als wir weitrfahren. Es ist schon schön, wenn man von den Leuten eingeladen wird, aber ausruhen kann man sich dabei nicht ^^

Gegen 17 Uhr erreichen wir dann endlich Khiva! Völlig K.O. werfen wir uns unter die Dusche und ins Bett. Um halb 10 machen wir noch einen kleinen Spaziergang durch die Altstadt (wir wohnen mittendrin).

Morgen (03.08.) fahren wir nach Urgench (ca. 40 km). Hier wollen wir einen Zug nach Bukhara erwischen und uns ein bisschen Wüstenfahrt und allgemeine Hektik während unserer 30 Tage in Usbekistan ersparen 🙂 Bis bald, bei eurer Hitze könnt ihr euch bestimmt gut in uns hineinversetzen 😛

10 Replies to “Update aus Usbekistan”

  1. Spitze Ihr beiden. Nach den Strapazen bin ich mir ziemlich sicher, daß Ihr Eure Reise weiterhin meistert.Die Gastfreundschaft der meisten Leute ist toll. Die Speisen sehen lecker aus. Euer Kleidungsstil ändert sich von Zeit zu Zeit.Ist das Kopftuch zweckmäßig oder auch dem Brauchtum geschuldet? Hemden sind auch beim Fahrradfahren kleidsam! Nur weiter so!
    Viel Glück und viel Spaß weiterhin.Liebe Grüße von Corinna und Reiner

  2. Klasse, war auf eure Wüstentourberichte schon gespannt! Hut ab wie ihr es schafft unter den Bedingungen (schnurgerade Strecke, Backofenfeeling, kein Schatten, zu wenig Wasser) von der Psyche her trotzdem nicht den Willen zu verlieren weiter zu machen.

    Habt ihr eigentlich langsam die Hälfte der Gesamtstrecke geschafft? Auf der Karte wirktes fast so…

    1. Die eigentliche Strecke wird wohl eher länger, gerade durch china. wir haben ja auch erst 6000 km und 4 Monate von >12 rum. Allein für China haben wir 4 monate visum. Mal sehen wie es sich entwickelt. Weitere längere wüstenabschnitte werden wir aber wohl meiden 🙂

  3. Hallo ihr beiden, spitze wie ihr diese Strecken meistert – und ich meckere über unsere Schotterwege hier!!😜 Diese Lkw- Fahrer kann man ins Herz schließen und auch die gastfreundliche Bevölkerung- weiterhin viel Glück damit!! Und soo schöne Fotos und spannende Berichte! Wir freuen uns auf mehr!! Glg👫

  4. hey ihr zwei,
    diesen Abschnitt werdet ihr nie vergessen. Solche Sachen schweißen zusammen. Ich wünsche euch noch viel Spaß und tolle Erfahrungen…es grüßen die Hökewichts…

  5. Hallo Ihr Beiden,
    bisher hat’s mir einfach die Sprache verschlagen und den Atem geraubt – ansichtlich eurer geposteten „Tour-de-Force“! Daher auch meine reichlich späte Reaktion.
    Inzwischen schaue ich mir euren mitreißenden Blog auch nur noch nach Einnahme meiner Herztropfen an ;o). Die Fotos werden immer großartiger und perspektivischer, das liegt vermutlich nicht nur an den besonderen und anfordernden Motiven. Vor allem aber sind eure Eindrücke und Begegnungen sehr einfühlsam und humorvoll aufgezeichnet.
    Mit Vergnügen habe ich auch festgestellt, dass ihr unterwegs das Artenspektrum der Landwirbeltiere mutig um einige Spezies erweitert habt. Wen wundert‘s, hier sind schließlich zwei promovierte Naturwissenschaftler unterwegs!
    Je weiter ihr euch aus unserem behüteten westeuropäischen Elysium entfernt desto eindrücklicher aufregender werden die Berichte. Aus deswegen freue ich mich auf weitere Teilnahme an eurer außergewöhnlichen Reise und wünsche dabei noch viel Spaß wie möglich und mindestens so viel Glück wie bisher.
    Ricki und Hedi

    1. Danke für eure Teilhaber 🙂
      Vielleicht sollten wir auf der Startseite vor den Risiken des Blogkonsums warnen, um den zart besaiteten Leser nicht zu überfordern 😉
      Wirbeltiere sind immer willkommen. Die wirbellosen sind da problematischer, halten sich aber sehr bedeckt bisher. Falls nicht, werdet ihr sicher davon lesen 🙂
      Alles Gute!
      Max & Vanessa

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