Anmerkungen aus Almaty

Heute melden wir uns aus Almaty (Stadt der Äpfel), der größten Stadt Kasachstans. Wir sind schon seit einigen Tagen hier, organisieren unsere Weiterreise und sight-seeen ein bisschen. Hier also die Zusammenfassung unserer Fahrt nach Almaty:

Am 07.09. verlassen wir unsere Pension in Cholpon-ata, machen noch einige Fotos zum Abschied und radeln los. Cayhana-Mittagspause, nach 76 km campen wir auf einer hügeligen Weide hinter einem Zaun. Am Morgen kommt noch kurz der Zaunbesitzer vorbei, “Karascho, Karascho (gut, gut)”. Die Mittagspause verbringen wir kochend am Fluss, entscheiden uns dann, eine Prallelstraße zu nehmen. Zunächst ist alles wunderbar, aber dann kommt starker Gegenwind auf und die Straße mutiert zur garstigen Schotterpiste – Zeit zum Zelten :P. Diesmal am Ackerand windgeschützt hinter einem Gebüsch.

Am nächsten Morgen ist es erstmal weniger windig, wir versuchen der Schotterpiste zu entkommen und kurven rumpelig für eine Stunde Richtung Hauptstraße. Frühstück und dann gehtˋs auf Asphalt weiter. Gegen Mittag stehen wir unmotiviert am Straßenrand rum (es ist schon windiger geworden und es geht gerade leicht bergauf) und planen unsere Pause. Ein Auto hält und die üblichen Fragen werden gestellt und beantwortet. Das Auto fährt davon, wir lungern noch ein bisschen rum, kämpfen uns dann den Berg hoch, Gegenwind schon wieder am Start. Oben am Hügel wartet das gleiche Auto geduldig auf uns. Der Fahrer lehnt sich aus dem Fenster “Schnaps!!” (scheint auch ein internationales Wort zu sein). Ja gerne :D. Schon sitzen wir auf der Rückbank und die 2 Plastikbecher (1 mit Wodka, 1 mit Cola) gehen im Kreis herum. Wir unterhalten uns ein bisschen, Fahrer und Beifahrer (zwischen 50 und 60 Jahren wohl) wollen eine Reise nach Deutschland unternehmen, mal gucken, ob sie uns da kontaktieren ^^. Während der Wodkapause ist der Gegenwind in einen richtigen Sturm ausgeartet und wir strampeln uns einen ab, um mit 8 km/h zu reisen..den Grenzübertritt nach Kasachstan können wir uns für heute abschminken…Der Wodka trägt zur enstpannten Weiterfahrt durchaus bei ;P Die Straße wird wieder zur Schotterpiste
aber das tut auch schon nichts mehr zur Sache.. unsere Fahrt wird immer wieder durch entgegenkommende Schafs- und Pferde- und Kuhherden aufgehalten, eine willkommene Abwechslung ^^ Das nächste Auto hält neben uns “Wo kommt ihr her?” – Deutsche 🙂 Kurzer Plausch und für uns gibt es Leipniz-Kekse und Aprikosen. Nach insgesamt 52 km zelten wir auf einer der weitläufigen Weiden. Es gibt heißen Tee, gebratene Zwiebeln und kaltes Kartoffelpü, da war dann das Benzin alle..

Am nächsten Morgen ist der Wind verschwunden.. puh 🙂 Bleibt nur noch die Schotterpiste, aber etwas schneller kommen wir nun vorran. Im nächsten Dorf soll es laut Karte ein “Magasin” geben, gibt es auch, allerdings sehr inkognito. So können wir unser Frühstück noch mit Schokokuchen aufpeppen. Nach ca. 10 km  lassen wir uns zum Essen nieder und sofort kommt ein ca. 10-jähriger? Schafshirte angeritten. Er profitiert auch von unserem Schokokuchen-Kauf und guckt sich unsere Videos von den Nomad Games an, kommentiert profimäßig und scheint die Spieler zu kennen. Als er unsere Müllbeutel sieht, bedeuted er mir, diese doch einfach in das nahe Gebüsch zu werfen… Nix da. Ist schon komisch. Ist es doch “sein” Gebiet, auf dem er mit seinen Schäfchen unterwegs ist.. Weiterfahrt, Max ereilt der nächste Platten und während wir noch reparieren hält ein kleiner Bus an, eine Frau steigt aus, erklärt uns, dass sie auch mit dem Rad unterwegs sind (grad im Auto) und gibt uns zwei Snickers und fragt, ob wir genug Wasser hätten. Nett!

Dann haben wir es aber auch zum Mini-Grenzübergang geschafft. Es ist nichts los. Die Snickers-Auto-Radler (Dänemark) holen wir hier wieder ein, unterhalten uns noch, die Grenzbeamten sind wieder freundlich, freuen sich über unsere deutsche Herkunft und zack sind wir mal wieder in Kasachstan.. Die Straße ist weiterhin garstiges Schotter und wir trödeln vorwärts Richtung Zivilisation und Magasins unterbrochen von einem Regenschauer. Irgendwann gibt es wieder eine richtige Straße und nun geht es schneller voran. In Kegen werfen wir uns die nächste Cayhana, gerade rechtzeitig für den nächsten Regenschauer. Es gibt leckeren Reis mit Fleisch & Gemüse, dazu Tee. Dann tanken wir zum Kochen, suchen eine Bank. Max fragt einen Einheimischen (Aman, 24 J). Er bringt uns zur Bank, zu einem guten Shop und dann zu sich nach Hause. Seine Mum spült gerade im Garten ab, der Vater und zwei seiner Brüder schrauben an Autos rum. Drinnen sieht es für den Pingeldeutschen ein bisschen aus wie in einem Abrisshaus. Putz bröckelt von den Wänden, auf dem Boden sind nachlässig verschiedene Linoleumbeläge ausgelegt. Alles wirkt kahl. In der Küche steht ein kleiner Schrank und ein ca. 30 cm hoher länglicher Metallofen (für Holz, nehme ich an), dann noch eine Bierzelt-Garnitur mit Sitzkissen und Tischdecke. Darauf 8 von der Mum gebackene Fladenbrote. Zack wird der Tisch gedeckt, Tee, Brot, Erdnüsse, Kekse und Süßigkeiten und Kurt-Klötzchen (s. Bild). Fast alle setzen sich an den Tisch und es wird Cay im Akkord aus Schüsseln getrunken, einer der Brüder gibt ein kleines Konzert mit der Dombra und wir unterhalten uns mit dem GoogleTranslator, wobei ich finde, dass der einem den Spaß an der witzigen Kommunikation mit Händen und Füßen nimmt, lange Sätze kann es nicht übersetzen. So hat uns der Bruder folgende Übersetzung unter die Nase halten: “I wish you good appetite today, tomorrow rabies (Tollwut)”.. :D. Gegen 7 machen wir uns auf, -Brot und 1kg Kurt im Gepäck- noch schnell einen Zeltplatz zu suchen, hier in Steppenkasachstan mal wieder kein Problem 🙂

Am nächsten Morgen ist es sonnig, aber windig. Wir fahren über Hügel rauf und runter, frühstücken recht nah an der Straße mit Aussicht und dann gehts weiter. Die Landschaft ist sehr schön. Grün mit Felsformationen, leicht bergig und daher mit viel schönem Ausblick. Mittagspause machen wir an einem Fluss unterhalb der Straße. Wieder kämpfen wir uns mit sehr starkem Gegenwind bergauf, 6 km/h sind drin. Hinter Hügeln suchen wir rudimentären Windschutz. Obwohl es immer sehr karg aussieht, wachsen hier doch sehr viele krautige Pflanzen und die riechen super gut, aromatisch, ätherisch, Thymian, gutes Erkältungsbad..irgendwie so, schön, wenn man morgens die Zelttür öffnet und es duftet gleich hinein 🙂

Durch die vielen Schotterpisten und Gegenwind haben wir so langsam Energie-Engpässe, normalerweise lädt Max immer die Geräte über den Nabendynamo auf, aber da braucht es mehr als 8 km/h..Und der Wind hat über Nacht leider nichts von seiner Intensität verloren.. Nun geht es immerhin bergab, also kann man “normal” strampeln, bekommt immerhin 20 km/h hin, der Wind schont die Bremsbeläge. Danach auf gerader Strecke wieder 10 km/h. Und es ist wieder kasachisch.. Rechts und links der Straße: NICHTS.. So quälen wir uns die nächsten 20 km bis zu einem kleinen Ort. Hier stehen auf einmal wieder unsere “Leipniz-Deutschen” begeistert am Straßenrand und reißen uns aus unserem gimmigen Strampeltrott.. Wieder stauben wir Snickers und Aprikosen ab 🙂 Danke. Und im Gespräch merken wir, dass wir uns die Welt mit dem Fahrrad schon schön zurecht filtern.. Sie bemerken nur “Joar, wir haben gerade mal wieder bezahlt..” Sie werden wohl regelmäßig von der Polizei angehalten, sind “zu schnell gefahren”, und müssen eine kleine Spende springen lassen.. Bei uns denkt sich die internationale Polizei wahrscheinlich: “ach die armen Schweine können sich kein Auto leisten..” besser so für uns :). Kurzer Korruptionsexkurs. Wir setzen uns erstmal in die einzige vorhandene Cayhana, mopsen Steckdosenstrom und essen was. Danach sieht die Welt wieder freundlicher aus. Die Weiterfahrt ist beschwingter, z.T. sogar windberuhigt. Später verlassen wir die Hauptstraße und strampeln auf einer kleinen Straße weiter vor uns hin. Wir zelten dann unterhalb eines Ackers.

Windstille 😀 Ja! Wir können ganz normal einfach Fahrrad fahren. Toll 🙂 Die Gegend ist schön. Kleine Dörfchen hin und wieder. In einem der Dörfer finden wir einen kleinen Laden mit überraschend guter Auswahl. Die Omi hinter der Theke weiß genau was wir suchen, holt noch Äpfel aus dem Hinterzimmer und sagt uns gewissenhaft alle Preise an (die auch auf die Produkte geschrieben sind), bevor sie die in ihren Taschenrechner hackt. Bestens ausgestattet werden wir vor der Ladentür von einer Gruppe Schulkinder empfangen. Schick in Uniform. Wenig später liegen wir am nächsten Bach und kochen uns Plov. Die Möhren hier sind wirklich immer ausgezeichnet. Authentisch voll mit Erde und sie schmecken immer richtig schön süß. Weiterfahrt durch einen Abschnitt mit garstigen Kötern (hatten wir lange nicht mehr). Heute bemerke ich zum ersten Mal, dass es Herbst wird. Gelbe und orange Blätter an den Bäumen und abends kühlt es sehr schnell ab. Abends finden wir einen schönen Zeltplatz mit Blick auf das Tien-Shan-Gebirge auf einem Acker.

Am 14.07. steht unsere Einfahrt nach Almaty bevor. Wir frühstücken unter Bäumen am Straßenrand und geben einem maunzenden Katzenjungen ein bisschen Vanillejoghurt ab. Dann tasten wir uns auf Nebenstraßen Richtung Almaty vor, landen aber durch Schotter und/oder Baustellen irgendwann auf der Hauptstraße. Einen traurigen Hundewelpen finden wir auch noch. Er sitzt am Straßenrand zwischen kaputten Fernsehern, eine Pfote ist wohl gebrochen. Sehr traurig. Wir geben ihm Wasser und Brot und fahren dann schnell weg bevor er uns hinterher zu kommen versucht. Das hat sein trauriges Dasein wahrscheinlich um einige Stunden verlängert, aber mehr auch nicht.

Almaty ist eine große Stadt. Manche Ecken superschick und hochmodern, andere ganz normal “dörflich kasachisch”. Was direkt negativ auffällt: 30-40% der Autos sind abartige SUVs mit den entsprechenden Fahrern. Den Führerschein kann man sich hier kaufen und so fahren viele Leute auch. Es gibt hier zwar sogar auf vielen Straßen Radwege, aber trotzdem muss man aufpassen, dass man nicht von einer/m smartphonenden und gerade abbiegenden Bitch/Bitchus im SUV umgekarrt wird. Die letzten Tage haben wir damit zugebracht, mir eine neue Sonnenbrille (verloren) und Kamera (kaputt) zu suchen. Meine Gangschaltung wurde endlich gewartet und zu guter Letzt haben wir uns für morgen Flüge nach Peking gebucht.. also nichts mehr mit “ja, wir sind von Wien bis hierher gefahren” ^^ Dann war noch “Almaty-Day”, ein Apfelfest.

Hier noch einige Bilder aus Almaty in bunter Mischung:

 

Gestern ca. 16 km wandern (hoch zum Peak Furmanov und wieder runter) und schon können wir kaum noch laufen heute vor lauter Muskelkater 😛

Soo, das wars wieder. Jetzt noch packen und morgen versinken wir dann in einem Kommuniktionsloch..bin gespannt 🙂 Wahrscheinlich müssen wir uns erstmal von einem “mehr-als-2000km-an-einem-Tag-gereist-Kulturschock” erholen.. 2 Zeitzonen weiter und es gibt keine Gradienten für uns.. gleich in die Heuschrecken reinbeißen und Katzensuppe genießen 😉 Bis bald!

P.S.: Hier noch ein kleiner Nachtrag von den Nomad Games

Spieler fliegt seiner Ziege hinterher

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